Der § 219a StGB bestraft „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. So weit, so unnötig kann man das Ganze erachten. Die Überschrift klingt erst einmal harmlos – dass man keine reißerische Reklame für Schwangerschaftsabbrüche sehen will, ist ja vielleicht sogar noch nachvollziehbar. Aber der § 219a macht nicht an dieser Stelle Halt. Auch die rein sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche ist nach dem Paragraphen prinzipiell strafbar und auch durch Gerichtsurteile (AG Gießen Az. 507 Ds 501 Js 15031⁄15; LG Bayreuth, 2 Ns 118 Js 12007⁄04, ZfL 2007) so bestätigt. Darüber, ob der Paragraph überhaupt verfassungskonform ist, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die einschlägige Literatur sieht unter anderem die Gefahr, „dass nur noch in Fachkreisen offen und unverstellt gesprochen wird“ (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen StGB § 219a Rn. 3), das Bundesverfassungsgericht schreibt „Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können“ (BVerfG 24.5.2006 – 1 BvR 1060⁄02 , ZfL 2006, 135, 138).
Unabhängig von seiner Verfassungsmäßigkeit ist dieser Paragraph aber einfach ein Anachronismus, ein gefährlicher noch dazu. Ein Anachronismus, der abgeschafft gehört. Denn wenn sachliche Informationen von denjenigen, die sich damit auskennen – nämlich Mediziner*innen – verboten ist, dann geraten Menschen, die sich über Schwangerschaftsabbrüche informieren wollen, zwangsläufig auf irgendwelche zwielichtigen Seiten, die ihnen Fehlinformationen und Halbwahrheiten präsentieren. Duzendhaft gibt es Internetseiten von Abtreibungsgegner*innen im Netz, deren Klickzahlen unter anderem auch deswegen eifrig nach oben streben, weil sie bei entsprechenden Suchanfragen ganz nach oben gespült werden, nachdem Mediziner*innen, die zu dem Thema schreiben, regelmäßig bei den Strafverfolgungsbehörden nach § 219a angezeigt werden.
Zeit für den Gegenschlag ? Mehr als Mediziner*innen, die sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche verbreiten, profitieren nämlich diese Abtreibungsgegner*innen davon, Adressen und Namen von Ärtz*innen und Kliniken zu veröffentlichen, die Abbrüche durchführen. Sie erhöhen damit nicht nur ihre Klickzahlen („Auflage“), sondern werben auf diesen Seiten auch um Spenden und Mitgliedschaften. In Punkto Vermögensvorteil verdienen sie also gutes Geld an ihren Internetseiten – nach dem § 219a allerdings ist genau das tatbestandlich. Noch dazu verbreiten diese Seiten aber oft Falschinformationen, reden Betroffenen, die sich sowieso in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, ein schlechtes Gewissen ein und gehen mit ihrer Indizierung durch die BPjM, die manche dieser Seiten als „mindestens jugendgefährdend“ einschätzt, sogar hausieren.
Gestern habe ich die Betreiber*innen von vier Abtreibungsgegner-Websites bei den Staatsanwaltschaften Mannheim, München I, Augsburg und Münster angezeigt. Um zu zeigen, wie absurd das Werbeverbot nach § 219a ist und damit es endlich abgeschafft wird. Aber auch um den „Mahnwachen“, die vor Kliniken und Praxen Menschen bedrängen und belästigen, und den Websites, die Mediziner*innen teilweise am Rand zur Verleumdung online verfemen, endlich zu zeigen, dass auch sie nicht im rechtsfreien Raum leben.