Gegen die Orbánisierung Bayerns!

Rede auf der Kund­ge­bung gegen das neue baye­ri­sche Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz am Regens­bur­ger Bis­marck­platz am 24. April 2018:

Lie­be Regens­bur­ge­rin­nen und Regensburger,
lie­be Freun­din­nen und Freunde,

vor knapp vier Wochen waren wir das letz­te Mal hier in Regens­burg auf der Stra­ße. Und ich war über­wäl­tigt, dass in so kur­zer Zeit über 500 Leu­te zusam­men­ge­kom­men sind. Ich bin noch mehr über­wäl­tigt, wie vie­le Leu­te heu­te hier ste­hen. Uns eint, dass wir für Frei­heit ste­hen, für den Rechts­staat, für unser Grund­ge­setz. Wir ste­hen heu­te hier gegen Kon­troll­wahn und gegen Geset­ze die nur dem popu­lis­ti­schen Wahl­kampf der CSU die­nen. Nichts ande­res ist die­ses Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz näm­lich; und dage­gen, dass unse­re Rech­te ein­ge­schränkt und Gesetz­än­de­run­gen zu Wahl­kampf­zwe­cken miss­braucht wer­den, müs­sen wir uns wehren!

Die CSU lädt den ukrai­ni­schen Auto­kra­ten Vik­tor Orbán regel­mä­ßig zu ihren Klau­su­ren oder als Staats­gast in den Land­tag ein. Vor weni­gen Wochen gra­tu­lier­ten sie ihrem „guten Freund Vik­tor Orbán“ zu sei­nem gran­dio­sen Wahl­er­geb­nis. Dabei treibt Orbán den Aus­bau Ungarns zu einem kras­sen Poli­zei­staat vor­an, schränkt die Mei­nungs­frei­heit ein und ent­fernt sich immer wei­ter von einem fried­li­chen Euro­pa. Wir ste­hen hier gegen die Orbá­ni­sie­rung des Frei­staats. Dage­gen müs­sen wir uns wehren!

Das Gesetz, das die Staats­re­gie­rung vor­schlägt ist näm­lich über­haupt nicht not­wen­dig. Straf­ta­ten neh­men in Bay­ern seit Jah­ren immer wei­ter ab. Die Mit­tel, die das Gesetz der Poli­zei gibt – nament­lich deren Ver­ge­heim­dienst­li­chung und Mili­ta­ri­sie­rung – braucht in Wirk­lich­keit nie­mand, um in Bay­ern Straf­ta­ten zu verhindern.

Eine Mili­ta­ri­sie­rung sieht man dar­in, wie leicht es in Zukunft für die Poli­zei sein soll, so genann­te Spreg­mit­tel zu ver­wen­den. Das heißt Hand­gra­na­ten oder Maschi­nen­ge­weh­re. Eine Ver­ge­heim­dienst­li­chung stel­len die diver­sen Über­wa­chungs­mög­lich­kei­ten dar, die das Gesetz der Poli­zei gibt. Mit umfas­sen­der Mail- und Tele­fon­über­wa­chung, mit der Mög­lich­keit Chats zu Mani­pu­lie­ren und mit intel­li­gen­ter Video­über­wa­chung kann die Poli­zei detail­lier­te Bewe­gungs­pro­fi­le von uns allen erstellen.

Als ob das nicht genug wäre setzt die CSU-Land­tags­frak­ti­on sogar noch eins drauf und hat drei Ände­rungs­an­trä­ge gestellt, die das Gesetz deut­lich ver­schär­fen. Unter ande­rem sol­len künf­tig die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Ärz­tin­nen, mit Psy­cho­the­ra­peu­ten, Schwan­ger­schafts­be­ra­tun­gen oder Sucht­be­ra­tun­gen nicht mehr geschützt sei. So einen kras­sen Ein­griff in unse­re Pri­vat­sphä­re dür­fen wir uns nicht bie­ten las­sen! Eben­so wird der Infor­man­ten­schutz von Jour­na­lis­tin­nen ein­ge­schränkt. So eine kras­se Ein­grif­fe in unse­re Pres­se­frei­heit darf es nicht geben. Dafür müs­sen wir laut hier auf der Stra­ße sein!

Und nicht nur heu­te. Lasst uns den Pro­test wei­ter­tra­gen. Es darf für CSU und Staats­re­gie­rung nicht still um die­ses Gesetz wer­den! Fah­ren wir gemein­sam am 10. Mai nach Mün­chen. Und ich darf euch an die­ser Stel­le auch gleich auf die nächs­te Akti­on hier in Regens­burg auf­merk­sam machen: kom­men­de Woche Frei­tag, am 4. Mai, laden wir euch ab 12 Uhr am Neu­pf­arr­platz vor der Gale­ria Kauf­hof zu einer Foto­ak­ti­on gegen das Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz ein!

Wenn wir der Poli­zei solch kras­se Befug­nis­se geben, stellt sich auch die Fra­ge, wer die Beam­ten über­haupt noch kon­trol­lie­ren soll. „Who Wat­ches the Watch­men?“ wie Alan Moo­re und Dave Gib­bons in ihrer Gra­phic Novel fra­gen. Vor eini­gen Jah­ren hat amnes­ty inter­na­tio­nal einen Report zu Poli­zei­ge­walt in Deutsch­land ver­öf­fent­licht und erschre­cken­de Fall­be­rich­te gelie­fert. Der Fall Ten­nes­see Eisen­berg hier in Regens­burg wirft immer noch vie­le Fra­gen auf. Die Fra­ge der Kon­trol­le von Poli­zei­be­hör­den wird sich mit sol­chen kras­sen, neu­en Kom­pe­ten­zen erst recht wie­der aktuell.

Schon lan­ge for­dern Straf­recht­ler und Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin­nen unab­hän­gi­ge Ermitt­lungs­be­hör­den in Fäl­len von mut­maß­li­cher Poli­zei­ge­walt. Die Inde­pen­dent Poli­ce Com­plaits Com­mis­si­on in Eng­land und Wales. Die Behör­de ver­öf­fent­licht regel­mä­ßi­ge Berich­te. Und damit hat sie für mehr Ver­trau­en der Öffent­lich­keit in die Poli­zei­be­hör­den gesorgt. Das ist doch eigent­lich der Weg, zu dem wir hin müs­sen: Eine Poli­zei, der wir ver­trau­en kön­nen; nicht eine hoch­ge­rüs­te­te Poli­zei die uns Bür­ge­rin­nen und Bür­gern nicht ver­traut und der wir im Gegen­zug auch nicht mehr trau­en kön­nen. Kämp­fen wir des­we­gen also für wirk­lich wich­ti­ge Maß­nah­men wie unab­hän­gi­ge Poli­zei­be­auf­trag­te, wie unab­hän­gi­ge Ermitt­lungs­be­hör­den und nicht für sicher­heits­po­li­tisch sinn­freie Überwachungsmaßnahmen!

Das baye­ri­sche Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz soll nach den Wün­schen unse­res neu­en Bun­des­hei­mat­mi­nis­ters See­ho­fer jetzt ja Mus­ter für ande­re Län­der wer­den. Dort sind kras­se Geset­zes­ver­schär­fun­gen gera­de eben­so in der Mache wie in Bay­ern. Des­we­gen ste­he ich auch mit Freun­din­nen und Freun­den aus Nord­rhein-West­fa­len, aus Sach­sen und aus Hes­sen in Kon­takt. Lasst uns gemein­sam dar­aus eine bun­des­wei­te Bewe­gung machen, die gegen über­zo­ge­ne Poli­zei­ge­set­ze ein­tritt und statt­des­sen für unser Grund­ge­setz und für unse­re Freiheitsrechte.

Sei­en wir wei­ter laut. Gehen wir wei­ter auf die Stra­ße. Zei­gen wir der CSU, dass sie unse­re Rech­te und unser Grund­ge­setz nicht so mit Füßen tre­ten kann!