Nachfragen und positiver Zuspruch zu meinem Claim zur Bezirkswahl „Ich will kulturelle Vielfalt statt brauner Einfalt“ in den vergangenen Wochen zeigen mir, dass es richtig war, mit dieser Botschaft in den Wahlkampf zu gehen. Nur in den seltensten Fällen können die stark verkürzten Sprüche auf Wahlplakaten politische Themen in erschöpfender Fülle abarbeiten. Vielmehr reißen sie ein Thema an und regen zum Nachdenken an. Dass „Ich will kulturelle Vielfalt statt brauner Einfalt“ in der Hinsicht seinen Zweck erfüllt, zeigt sich in den Reaktionen, die ich darauf bekommen habe. Tatsächlich war mein Gedanke dahinter, sogar zwei Themen mit einer Klappe ansprechen zu können. Da man im Rahmen von gerade einmal 50 Zeichen oft aber, wie gesagt, weniger ins Detail gehen kann, möchte ich meine eigenen Reflektionen dazu hier knapp darstellen.
Bürgerliche Freiheiten, Humanität und offene Gesellschaft
Der sicherlich offensichtlichste Bedeutungszusammenhang ist die Gegenüberstellung von Vielfalt zu brauner Einfalt. Wir sehen uns dieser Tage einer massiv lauten Bewegung gegenüber, die einen Rückwärtssprung – sozusagen einen Roll-Back – in allen gesellschaftlichen Bereichen möchte. Errungenschaften, die wir im Laufe der Aufklärung und der vergangenen siebzig Jahre in der Gleichberechtigung (sowohl von Frauen* als auch von queeren Menschen), in der Familienpolitik, im Minderheitenschutz, in Bildung und Wissenschaft, bei den Rechten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch im Rahmen eines friedlichen und solidarischen Europas erreicht haben, sollen wieder zurückgedreht werden sofern man manchen Stimmen Gehör schenkt.
Längst haben wir in diesen und vielen anderen Bereichen noch keinen Idealzustand erreicht. Fortschrittliche Politik bedeutet aber immer, die positiven Errungenschaften mitzunehmen und gegen ein Zurückdrehen der Zeit zu schützen (im eigentlichen Wortsinne bedeutet übrigens auch konservative Politik genau dies). Das Wort Hegels, dass Geschichte immer „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ ist, sollte man sich dabei merken.
Gesellschaftliche Errungenschaften zu erhalten bedeutet eben konkret, Frauen* nicht mehr in die Rollenbilder vergangener Jahrhunderte mit Kinder – Küche – Kirche zurückdrängen zu wollen. Es bedeutet, queere Personen rechtlich wie auch gesellschaftlich gleichzubehandeln und anzuerkennen. Es bedeutet, Bildung an Schüler*innen auszurichten und wissenschaftliche Methodik zu berücksichtigen – nicht nur wenn es um hochschul- und forschungspolitische Themen geht. Es bedeutet auch, dass die Rückkehr zum starken Nationalstaat nichts ist, was wir feiern sollten. Die Idee von Europa hat uns in den vergangenen Jahren einen vielleicht nicht vollständig befriedeten, so doch aber friedlicheren Kontinent beschert. Ich bin wie viele andere in einem Europa aufgewachsen, in dem wir Freund*innen in unseren Nachbarländern ohne weitere Probleme besuchen konnten, ohne weiter auf Grenzen zu achten. Und auch wenn es im System der Europäischen Union einiges an Verbesserungsbedarf gibt, ist ihre Rolle dabei nicht zu unterschätzen.
Alles in allem leben wir heute in einer Welt, in der es viel mehr als in allen bisherigen möglich ist, sich auszuleben und in der die eigene Identität weniger staatlich oder gesellschaftlich sanktioniert wird. Diese Bewegung, die jedem und jeder ein Leben „nach seiner Fasson“ (das sagte Friedrich II. immerhin vor über 200 Jahren) ermöglicht, muss weiter vorangetrieben werden.
Forderungen in Land und Bezirk:
- Unterstützung für und Ausbau von demokratischen Bildungsprogrammen des Bezirksjugendrings.
- Ein Programm für antifaschistische und demokratische Bildung im Bezirk, das auch nicht-verbandlicher Jugendarbeit, Initiativen vor Ort und Einzelpersonen offensteht.
- Ausweitung des Sozialkundeunterrichts in Schulen und der außerschulischen Demokratiebildung auch auf Landesebene.
- Demokratie nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis: Schüler*innen sollen mitreden und mitentscheiden dürfen, was an der Schule passiert.
- Ein Landesprogramm zur Unterstützung bürgerschaftlicher Bündnisse und unabhängiger Beratungsstellen für Bildungs- und Präventionsmaßnahmen.
- Repräsentation aller Teile der Bevölkerung: deswegen wollen wir das Wahlalter senken und sinnvolle Maßnahmen im Wahlrecht etablieren, um auch Frauen* angemessen in den Parlamenten zu repräsentieren.
- Landesweiter Aktionsplan für Antidiskriminierung, Gleichstellung und Akzeptanz sexueller Vielfalt – für Aufklärung und Bildung statt Hass und Diskriminierung.
- Eine landesweite Antidiskriminierungsstelle.
- Niederschwellige Beratungsangebote im ländlichen Raum, die die LSBTIQ*(Lesben, Schwule, Trans, Inter und queer)-Jugendlichen in ihrer Entwicklung ernst nehmen, sie in ihrer Identitätssuche stärken und ihnen konkrete Unterstützung anbieten.
- Landesstiftung für politisch Verfolgte nach Hamburger Vorbild. Sie soll Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen temporären Schutz, eine Unterkunft und ein Stipendium gewähren.
Vielfalt im Sinne von Kunst, Kultur und Musik
„Kulturelle Vielfalt“ ist aber nicht nur vor dem Hintergrund dieses – extrem allgemeinen – Kulturbegriffs zu lesen. Kultur bedeutet in einem ganz konkreten Sinne auch all das, was um uns herum an kulturellem Angebot – sei es in Musik, Theater oder bildender Kunst – passiert. Dass die kulturelle Landschaft in der Oberpfalz hier sehr vielfältig ist weiß ich selbst aus meiner Zeit als Konzertveranstalter, Kulturschaffender und Journalist.
Doch das Problem vieler kleiner und alternativer Kulturprojekte ist es oft, dass sie ehrenamtlich passieren (müssen) und vom Herzblut der Veranstalter*innen leben. Nur manchmal ist es möglich, davon zu leben oder diese Kulturangebote überhaupt halbwegs rentabel oder kostentragend zu gestalten. Oft scheitern Projekte nach einiger Zeit daher nicht am Engagement der Menschen in der Oberpfalz oder an ihren tollen Ideen, sondern rein an Geldfragen oder fehlender Infrastruktur wie Auftrittsmöglichkeiten, Ausstellungsräumen aber auch Bandproberäumen oder Werkstätten.
Eine vielfältige Kulturpolitik hat daher die Aufgabe, diese Kulturangebote in den Fokus zu nehmen, sie zu fördern ohne dabei inhaltlich einzugreifen. Der Bezirk Oberpfalz hat hier bereits einige gute Projekte, die nicht nur Trachten oder Volkstanz, sondern auch Popkultur im Blick haben. Nur Beispiele dafür sind die Beratungsangebote für Pop- und Rockmusik, die Musikakademie Alteglofsheim (gemeinsam mit dem Freistaat Bayern) oder die Förderung für das Landestheater Oberpfalz. Diese Projekte gilt es weiter auszubauen und bei der allgemeinen Kulturförderung insbesondere kleine und alternative Projekte zu berücksichtigen. Denn sie sind es, die viele Gegenden in der Oberpfalz erst so richtig lebenswert machen. Sie sind mehr als nur ein „weicher Standortfaktor“, sondern ganz entscheidend dafür, dass Landstriche auch für junge Menschen als Wohnort attraktiv bleiben.
Forderungen in Land und Bezirk:
- Schwerpunkt der Kulturförderung des Bezirks Oberpfalz auf junge und alternative Kultur.
- Unbürokratische Antragstellung in der Kulturförderung des Bezirks vor allem für kleine Projekte und Projekte mit geringem Finanzbedarf.
- Förderung für überregional bedeutende Auftritts- und Ausstellungsmöglichkeiten ebenso wie für Bandproberäume und Werkstätten.
- Demokratische Kulturpolitik, die die Entscheidungen in die Regionen verlagert und die kulturelle Vielfalt stärkt.
- Gleichstellung der Geschlechter auch in den Bereichen Kunst und Kultur. Stärkere Awareness für Gleichstellungsfragen, Minderheitenschutz und Vielfalt bei der Kulturförderung.
- Alle sollten an Kultur teilhaben können – und zwar unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrem Alter. Ausbau der Barrierefreiheit von Kultureinrichtungen.
- Kulturelle Bildung in Kooperation zwischen Kulturschaffenden, Kulturinstitutionen und Bildungseinrichtungen stärken und unterstützen.
- Digitalisierung von Bibliotheken, Kunstwerken, Archivalien und historischen Dokumenten. Diese sollen online frei zur Nutzung stehen.
- Erinnerungskultur als ein Erinnern für Gegenwart und Zukunft.