Rede auf der Kundgebung gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz am Regensburger Dachauplatz am 28. März 2018:
Liebe Regensburgerinnen, liebe Regensburger,
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
ich freue mich wirklich sehr, dass so viele Leute heute, trotz der kurzfristigen Einladung zu der Demo hier heute auf der Straße sind. Also ich bin tatsächlich richtig überwältigt. Aber das zeigt auch, dass Bürgerrechte kein Randthema. Dass viele Leute über den aktuellen Kurs der CSU und der Staatsregierung besorgt sind. Und das zu Recht! Das Gesetz, das uns vorliegt führt ganz neue Gefahrenkategorien ein. Schon weit im Vorfeld eines Gefahrkontextes soll die Polizei in Zukunft tätig werden können. Das heißt auf Deutsch: die Polizei kann auch dann schon Maßnahmen ergreifen, wenn noch überhaupt nichts passiert ist. Dann, wenn keine Straftat vorliegt, sich noch niemand etwas hat zu Schulden kommen lassen. Das Gesetz richtet sich nicht gegen Verbrecherinnen und Verbrecher sondern könnte jeden von uns hier treffen, wenn wir ein wenig Pech haben. Und das dürfen wir uns nicht gefallen lassen!
Die Maßnahmen, die das neue Polizeiaufgabengesetz für diese so genannte „drohende Gefahr“ vorsieht fangen bei umfangreichen und meiner Meinung nach verfassungswidrigen DNA-Analysen an und können bis hin zu einer Total- oder Rundumüberwachung von Bürgerinnen und Bürgern reichen. Der erste Schritt am Weg hin zu einer Geheimpolizei. Die Polizei soll in Zukunft auch Sprengmittel wir Handgranaten oder auch Maschinengewehre viel leichter einsetzen können als das bisher der Fall war. Die Polizei erhält also nicht nur umfassende Geheimdienstbefugnisse sondern soll auch militärisch aufgerüstet werden. Nicht umsonst sprechen viele von den krassesten Polizeigesetzen in der Geschichte der Bundesrepublik. Wir wollen aber nicht, dass Bayern zum Polizeistaat wird!
Mit dem neuen Vorschlag soll auch die intelligente Videoüberwachung flächendeckend möglich werden. Erste Versuche mit eher mäßigen Erfolgen gab es dafür beispielsweise schon am Berliner Südkreuz. Mit den intelligenten und vernetzten Kameras soll es möglich sein, Gesichter automatisiert zu erkennen. Algorithmen beurteilen dann, ob von Ihnen oder von euch eine Gefahr ausgeht und ob ihr aus dem Verkehr gezogen werden müsst. Hoffentlich dann nicht mit Maschinengewehren und Handgranaten – aber möglich wäre es, wenn das neue Polizeiaufgabengesetz kommt. Aber nicht nur dass man eine solche Bewertung Algorithmen überlässt ist kritisch. Mit der intelligenten Videoüberwachung können auch umfassende Bewegungsprofile von uns allen erstellt werden.
Liebe Regensburgerinnen und Regensburger. Ich habe die Rede davon, dass wir der Dystopie 1984 von George Orwell immer näher kommen, oft für populistisch gehalten. Wer aber den Entwurf für das neue Polizeiaufgabengesetzt liest, kann sich dem Eindruck nicht erwehren. 1984 war aber nicht als Handbuch gedacht! Deswegen ist es wichtig, dass wir heute hier alle auf der Straße sind.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
der neue Vorschlag zum Polizeiaufgabengesetz ist aber noch nicht alles. Im vergangenen Jahr hat die CSU-Regierung das so genannte Gefährdergesetz in Bayern durchgedrückt. In dem Gesetz, das schon seit dem 1. August letzten Jahres gilt wurde die Unendlichkeitshaft in Bayern eingeführt. Bisher war es möglich, Menschen bis zu zwei Wochen in Gewahrsam zu nehmen ohne dass ihnen eine Straftat vorgeworfen wurde. Auch das war schon viel zu lange. Jetzt ist es aber möglich, jemanden drei Monate in Gewahrsahm zu nehmen und die Haft sogar unendlich oft weiter zu verlängern. Es gibt also keine Obergrenze für diese Präventivhaft mehr. Ein solches Gesetz, dass ein bayerisches Guantanamo einführt, brauchen wir nicht!
Deswegen hat unsere grüne Landtagsfraktion genau heute auch Klage gegen dieses Unendlichkeitshaftgesetz eingereicht. Wir denken, dass eine solche krasse Ausweitung des Gefahrenvorfeldes, dass eine zeitlich unbegrenzte Präventivhaft und dass eine Vergeheimdienstlichung der Polizei verfassungswidrig sind. Aus gutem Grund gibt es seit der Gründung der Bundesrepublik das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst. Das müssen wir jetzt verteidigen!
Liebe Regensburgerinnen und Regensburger,
zur Sicherheitspolitik gehören für mich auch Bürgerinnen- und Bürgerrechte. Dazu gehört für mich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Von einer Sicherheitspolitik erwarte ich nicht, dass unkontrolliert und ohne jedes Maß Daten von mir gesammelt werden, die in falsche Hände gelangen können. Von einer Sicherheitspolitik erwarte ich vielmehr, dass auch meine Daten sicher sind!
Es ist wirklich schön zu sehen, dass das Thema – dass unser aller grundlegende Rechte so vielen Menschen wichtig sind! Aber wir sind auch realistisch genug zu wissen, dass eine einzelne Demo in Regensburg die CSU und die Staatsregierung kaum dazu bringen wird, ihre Überwachungsfantasien aufzugeben. Deswegen müssen wir weiter machen! Ich bin überzeugt, dass das nicht das einzige Mal sein wird, dass wir uns zu dem Thema auf der Straße sehen – sei es in Regensburg, sei es irgendwo anders in ganz Bayern. Wir werden uns weiter dagegen einsetzen. Wir bleiben auf jeden Fall am Ball und ich hoffe, dass Sie und ihr das auch tut!