Sozialhilfe darf nicht von der Wirtschaftskraft abhängig sein

Rede zum Bezirks­haus­halt 2020
in der Bezirks­tags­sit­zung vom 12. Dezem­ber 2019

 

Herr Prä­si­dent,
lie­be Kolleg*innen,
lie­be Gäs­te und Presse,

 

die Auf­ga­ben und Erwar­tun­gen an uns als Bezirk wach­sen. Sei­en es all­ge­mei­ne gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen wie der demo­gra­fi­sche Wan­del, wie die zuneh­men­de Zahl der dia­gnos­ti­zier­ten psy­chi­schen Erkran­kun­gen oder wie die voll­kom­men zurecht gestie­ge­nen Erwar­tun­gen an Inklu­si­on. Auch in ande­ren Berei­chen wie der Kul­tur­för­de­rung wird mit uns gerech­net; dass unse­re Anträ­ge zum The­ma Pop­kul­tur schon 2020 zum ers­ten Mal im Haus­halt zu Buche schla­gen, freut mich natür­lich beson­ders und sorgt – den­ke ich dafür – dass wir mit unse­rer Arbeit als Bezirk auch neue Grup­pen erreichen.

Dane­ben wer­den uns immer mehr Auf­ga­ben und Finan­zie­rungs­las­ten, vor allem im Sozi­al­be­reich, durch Gesetz zuge­wie­sen. Sei es aktu­ell das Ange­hö­ri­gen-Ent­las­tungs­ge­setz oder das Bun­des­teil­ha­be­ge­setz. Wir Bezir­ke kön­nen stei­gen­de Auf­ga­ben nicht mit gleich­blei­ben­den Ein­nah­men bestreiten.

Seit Jah­ren bekla­gen sich die baye­ri­schen Bezir­ke des­we­gen. Geän­dert aber hat sich in der Zeit aber wenig. Über 57 Pro­zent unse­res Haus­halts bestrei­ten wir als Bezirk aus der Umla­ge, die wir von den Land­krei­sen und kreis­frei­en Städ­ten erhe­ben. Auch wenn der Hebe­satz für das kom­men­de Jahr gestie­gen ist, sind wir als Bezirk immer noch im unte­ren Feld und deut­lich unter dem Lan­des­schnitt. Wir müs­sen uns hier also nicht vor­wer­fen las­sen, die Umla­ge­zah­ler über Gebühr zu belasten.

Auch die Mit­tel aus dem kom­mu­na­len Finanz­aus­gleich stüt­zen uns als Bezirk. Doch mit gera­de ein­mal 20 Pro­zent des Haus­halts­vo­lu­mens sind sie nur ein klei­ne­rer Teil des kom­mu­na­len Steu­er­auf­kom­mens, das uns der Frei­staat zukom­men lässt.

Des­we­gen begrü­ßen wir Grü­nen jeden Vor­stoß, die Finan­zie­rung der Bezir­ke auf sta­bi­le­re Bei­ne zu stel­len. Im Not­fall auch, wenn die Ein­hal­tung des Kon­ne­xi­täts­prin­zips gericht­lich ein­ge­for­dert wer­den muss. Kon­ne­xi­tät heißt rich­ti­ger­wei­se näm­lich nicht „wer zahlt, schafft an“, son­dern „wer anschafft, der zahlt“. Wenn das nur über eine Nor­men­kon­troll­kla­ge durch­ge­setzt wer­den kann, gehen wir die­sen Weg mit.

Dabei geht es nicht nur um die finan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen die­ser bei­den kon­kre­ten Geset­ze. All­ge­mein scheint sich der Gedan­ke, des Nach-unten-Dele­gie­rens durch­zu­set­zen, in dem Bund und Frei­staat Auf­ga­ben an die Kom­mu­nen wei­ter­ge­ben, ohne aber Geld dafür bereit­zu­stel­len. „Wird kos­ten­neu­tral umge­setzt“ ist die Kil­ler­phra­se im Vor­spruch jedes Gesetzentwurfs.

Wir müs­sen uns hier für eine sta­bi­le Finan­zie­rung der gan­zen kom­mu­na­len Ebe­ne ein­set­zen. Wenn die Steu­er­ein­nah­men in den kom­men­den Jah­ren tat­säch­lich sin­ken soll­ten, müs­sen wir uns näm­lich wei­ter finan­zie­ren – denn unse­re Auf­ga­ben sin­ken nicht.

Sozi­al­hil­fe darf näm­lich nicht von der Wirt­schafts­kraft abhän­gen. Und ich bin froh, dass wir uns hier im Gre­mi­um dabei auch fast alle einig sind. Bis auf eine Par­tei, die den Haus­halt bis heu­te nicht ver­stan­den hat. Ein Kol­le­ge von ganz rechts außen lässt sich die­ses Früh­jahr auf der Web­site sei­nes Par­tei-Bezirks­ver­bands näm­lich damit zitie­ren, er habe „über genaue Details zu den Ein­zel­plä­nen des Haus­halts noch kei­ne Kennt­nis erlan­gen“ kön­nen. Dass er das auch Mona­te nach der letz­ten Haus­halts­sit­zung immer noch nicht geschafft hat, fin­de ich sehr scha­de. Wie­so man in den Fach­aus­schüs­sen für alle Posi­tio­nen des aktu­el­len Haus­halts­vor­schlags stimmt, im Bezirks­aus­schuss dann aber schließ­lich dage­gen­stimmt – ohne einen Alter­na­tiv­vor­schlag zu haben – das erschließt sich mir sowie­so nicht. Wür­den sich mehr Leu­te hier im Gre­mi­um so ver­hal­ten, müss­ten wir näm­lich alle Kran­ken­häu­ser und Ein­rich­tun­gen zusperren.

Ich möch­te noch­mal beto­nen: Es geht hier um Men­schen, die oft wenig Geld oder Infra­struk­tur zur Ver­fü­gung haben. Oder zumin­dest um Men­schen mit Ein­schrän­kun­gen, mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen oder mit Pfle­ge­be­darf – damit also um Men­schen, die ein deut­lich erhöh­tes Armuts­ri­si­ko, vor allem Alters­ar­muts­ri­si­ko, haben. Durch unse­re Arbeit als Bezirk kön­nen wir ihnen eine Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben ermög­li­chen und in vie­len Fäl­len ein Abrut­schen in die Armut ver­hin­dern. Wir als Bezirk sind eine der größ­ten Prä­ven­tiv­ein­rich­tun­gen im sozia­len Bereich. Wenn unse­re Arbeit ver­sagt, wenn wir nicht mehr die not­wen­di­gen Haus­halts­mit­tel bereit­stel­len kön­nen, dann müss­ten am Ende in vie­len Fäl­len die ört­li­chen Sozi­al­hil­fe­trä­ger in Leis­tung gehen. Und ins­be­son­de­re den betrof­fe­nen Men­schen wür­den wir damit die Chan­ce auf ein gutes Leben nehmen.

Des­we­gen: Hilfs­ein­rich­tun­gen zusper­ren – mit uns geht das nicht. Im aktu­el­len Bezirks­haus­halt haben wir eine ordent­li­che Finan­zie­rung für alle Berei­che des Haus­halts schaf­fen kön­nen. Das ist wich­tig, um unse­re stei­gen­den Auf­ga­ben bewäl­ti­gen zu können.

Neben dem Geld – oder mit dem Geld schlägt auch die Infra­struk­tur zu buche, die wir unter­hal­ten müs­sen. Allein schon in dem Bereich macht sich das Bun­des­teil­ha­be­ge­setz bemerk­bar, für des­sen Umset­zung wir einen neu­en Ver­wal­tungs­an­bau rea­li­sie­ren müs­sen. Was mich sehr freut ist, dass hier inzwi­schen kon­se­quent auf Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen gesetzt wird. Das ist nicht nur eine Ver­ant­wor­tung gegen­über Umwelt und Kli­ma – son­dern natür­lich auch gegen­über den Steu­er­zah­le­rin­nen und Steu­er­zah­lern, die ansons­ten für die Strom­kos­ten auf­kom­men müssen.

In eini­gen Berei­chen sind wir schon ganz weit als Bezirk. Doch es ist auch noch Luft nach oben. Wir brau­chen für alle Bezirks­lie­gen­schaf­ten drin­gend einen Sanie­rungs- und Inves­ti­ti­ons­plan. Und einen Lie­gen­schafts­ma­na­ger, der sich nicht nur dar­um küm­mert, son­dern des­sen Auf­ga­be vor allem das The­ma Kli­ma­schutz und kli­ma­ge­rech­te Sanie­rung sein muss. Neue Gebäu­de müss­ten wir eigent­lich immer nach dem Plus­ener­gie­stan­dard pla­nen. Das heißt, Däm­men mit moder­nen Metho­den wie der Vaku­um­däm­mung statt mit Sty­ro­por, das heißt Wär­me­tau­scher und aber auch die eige­ne Her­stel­lung von Strom und Wär­me. Moder­ne Archi­tek­tur macht das alles mög­lich, schont das Kli­ma und lang­fris­tig auch die Kas­sen der Umlagezahler.

Aber auch in ande­ren Berei­chen wür­de noch mehr gehen: Dass die auf­ge­stän­der­te Park­platz­lö­sung für die benö­tig­ten neu­en Stell­plät­ze bei der Haupt­ver­wal­tung nicht ernst­haft geprüft, son­dern gleich wie­der ver­wor­fen wur­den, fin­den wir scha­de. Denn zur Ver­ant­wor­tung unse­rer Umwelt gegen­über gehört es auch und ganz beson­ders nach dem erfolg­reichs­ten Volks­be­geh­ren in der Geschich­te des Frei­staats, den Flä­chen­ver­brauch zu redu­zie­ren – auch für uns als Bezirk.

Ich habe jetzt viel über Stahl, über Beton oder auch Holz gere­det. Aber der wich­tigs­te Fak­tor sind und blei­ben für uns die Men­schen. Allei­ne schon wegen unse­rer Auf­ga­ben – vor allem in Sozi­al­hil­fe, in der „spre­chen­den Medi­zin“ und in der Kul­tur. Die Beschäf­tig­ten des Bezirks müs­sen im Fokus unse­rer Auf­merk­sam­keit ste­hen. Wir alle wis­sen über die gro­ßen Schwie­rig­kei­ten bei der Per­so­nal­be­schaf­fung. Umso wich­ti­ger ist es, ein gutes Arbeits­kli­ma zu schaf­fen. Die neue RVV-Hal­te­stel­le am Bezirk ist eine klei­ne aber wich­ti­ge Erleich­te­rung – natür­lich nicht nur für unse­re Beschäf­tig­ten, son­dern vor allem auch für Antragsteller*innen.

Auf das Per­so­nal acht zu geben, das heißt auch, dass wir die Über­stun­den­si­tua­ti­on in der Ver­wal­tung genau im Auge behal­ten müs­sen. Das heißt auch, dass wir ins­be­son­de­re Über­las­tun­gen beim Per­so­nal im psych­ia­tri­schen Bereich genau im Auge behal­ten müs­sen. Am Ende müs­sen die Arbeits­be­din­gun­gen stim­men!

 

Mei­ne Damen und Herren,

ich möch­te auf einen letz­ten gro­ßen Bereich ein­ge­hen, der mit beson­ders wich­tig ist: das The­ma Kul­tur. Kul­tu­rel­le Ange­bo­te bie­ten Men­schen sowohl die Mög­lich­keit, sich zu ent­span­nen, als auch sich selbst aus­zu­drü­cken. Mit ande­ren Leu­ten ins Gespräch zu kom­men oder sich selbst zu fin­den. Allein des­we­gen ist Kul­tur so viel­sei­tig. Und sie ist auch ein wich­ti­ger Stand­ort­fak­tor, der Leu­te dazu bringt, in einem Ort zu blei­ben oder in die nächst­grö­ße­re Stadt wei­ter­zu­zie­hen. Des­we­gen ist die Kul­tur­för­de­rung gera­de für den länd­li­chen Raum so unglaub­lich wichtig.

Zwei Ein­rich­tun­gen, die ich beson­ders nen­nen will – nicht nur weil sie einen wich­ti­gen Bil­dungs­auf­trag haben, son­dern auch weil sie bei­de seit kur­zem den Titel Umwelt­sta­ti­on tra­gen – sind das Ober­pfäl­zer Frei­land­mu­se­um Neu­sath-Per­schen und die Jugend­bil­dungs­stät­te Wald­mün­chen. Wenn auch zum Teil in sehr unter­schied­li­chen Berei­chen, wird hier wich­ti­ge Arbeit zur Bil­dung jun­ger und auch älte­rer Men­schen geleis­tet und das Zusam­men­le­ben in der Ober­pfalz geför­dert. Das Zusam­men­le­ben mit der Tier- und Pflan­zen­welt; aber auch das Zusam­men­le­ben mit unse­ren Mitmenschen.

Ich freue mich ganz beson­ders, dass wir mit unse­rem grü­nen Antrags­pa­ket zur Pop­kul­tur in der Ober­pfalz eine wich­ti­ge Wei­chen­stel­lung in dem Bereich geschafft haben. Mit der Auf­sto­ckung der Stel­le des Popu­lar­mu­sik­be­auf­trag­ten ab 1. April set­zen wir eine gute Grund­la­ge für Kul­tur­ar­beit, die Men­schen in der gan­zen Ober­pfalz das Gefühl gibt, auch an moder­ner Kul­tur teil­zu­ha­ben. Nicht zuletzt set­zen wir damit auch eine Emp­feh­lung des Baye­ri­schen Bezir­ke­tags um, der die Ein­füh­rung haupt­amt­li­cher Struk­tu­ren in dem Bereich empfiehlt.

Auf die Vor­be­rei­tung des zwei­ten Punk­tes aus unse­rem Antrags­pa­ket, den wir auf den Weg gebracht haben, freue ich mich beson­ders. Denn mit dem Ober­pfäl­zer Pop­kul­tur­fes­ti­val kön­nen wir ech­te Pio­nier­ar­beit leis­ten und zei­gen, wie viel­fäl­tig die Kul­tur­sze­ne in unse­rem Bezirk ist. Ab April wer­den wir auf Hoch­tou­ren dar­an arbeiten.

Mit wem ich mei­ne Haus­halts­re­de schlie­ßen möch­te – und zwar wirk­lich ganz nach dem Mot­to „last but not least“ ist der Bezirks­ju­gend­ring Ober­pfalz. Es ist immer wie­der eine Freu­de, die Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen des Bezirks­ju­gend­rings zu besu­chen und zu sehen, wie vie­le jun­ge Men­schen sich in ihrer Frei­zeit enga­gie­ren und für The­men bren­nen. Was Demo­kra­tie, Zusam­men­le­ben und Viel­falt angeht, haben die Jugend­rin­ge und Jugend­ver­bän­de eine ganz wich­ti­ge Auf­ga­be. Gera­de jetzt, wo sie auf Lan­des­ebe­ne von Rechts­au­ßen ange­grif­fen wer­den, ist es umso wich­ti­ger, ihnen den Rücken zu stär­ken. Auch im Bezirks­aus­schuss hat­ten wir ja bereits einen Antrag von der ultra­rech­ten Sei­te, der ganz klar dar­auf abge­zielt hat, die Arbeit des Bezirks­ju­gend­rings und der Jugend­ver­bän­de zu dis­kre­di­tie­ren und ihnen Gel­der zu strei­chen. Zum Glück haben wir ihn mehr als deut­lich abge­lehnt. Ich den­ke, das ist heu­te wich­tig: dass wir zusam­men­ste­hen. Für eine Demo­kra­tie, die alle Men­schen mit­ein­be­zieht; für eine Kul­tur, die zum Aus­druck bringt, wie viel­fäl­tig die Ober­pfalz ist; und als Sozi­al­par­la­ment natür­lich vor allem für Soli­da­ri­tät mit den schwächs­ten Men­schen in unse­rer Gesellschaft.

Vie­len Dank!